Für das laufende Jahr hat sich die Heimatbühne wieder einiges vorgenommen: Da die Freilichtaufführungen im Zweijahresrythmus mittlerweile schon Tradition haben, ist auch heuer eine solche geplant. Mit der Regie und der Auswahl des Stückes – diesmal sollte wieder einmal ein tragisches Stück auf die Bühne gebracht werden – wurde Helene Stockner beauftragt: Ihre Wahl fiel auf das Stück „ Die Schwabenkinder“ der Autorin Claudia Lang.
Die Schwabenkinder – Kinder aus verarmten Bergbauernfamilien aus Vorarlberg, Tirol, der Schweiz und Südtirol, vor allem aus dem Vinschgau – wurden seit dem 17. Jahrhunderts bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts alljährlich nach Oberschwaben gebracht, um auf den so genannten „Hütekindermärkten“ als Saisonarbeiter an oberschwäbische Bauern verkauft zu werden. Schon allein der Weg dorthin war lang und beschwerlich: Die Kinder mussten in schlechtem Schuhwerk und dürftiger Kleidung zu Fuß über den 1.507 Meter hoch gelegenen Reschenpass und dann über den noch viel gewaltigeren, 1.793 hohen Arlbergpass; extrem niedrige Temperaturen und Schneestürme, Hunger und Heimweh ließen die Reise oft zu einem Albtraum werden. Begleitet wurden die Kinder von einem Erwachsenen, manchmal einem Priester, der sich um Unterkünfte in Ställen kümmerte und schließlich mit den schwäbischen Bauern die Preise aushandelte. Auf den Märkten, die im März, meist um den Josefitag, stattfanden, wurden die Kinder wie Vieh behandelt: Sie wurden gemustert, abgetastet und begutachtet; lauthals feilschte man um ihren Preis und diskutierte darüber, wie gut sie als Arbeitskräfte bei Saat und Ernte taugen würden. Bis zu Simon und Juda oder Martini, also bis Ende Oktober oder Mitte November, mussten die Kinder dann auf den Höfen Schwerstarbeit leisten. In der bäuerlichen Hierarchie standen sie noch unter den Knechten, wurden also oft sehr schlecht behandelt; auch körperliche Züchtigung war keine Seltenheit. Wenn sie dann bei Wintereinbruch wieder Richtung Heimat aufbrachen, wurde ihnen die Entlohnung – ein doppelter Satz Kleidung von der Kopfbedeckung bis zum Schuhwerk und, je nach Alter und ausgehandeltem Preis, einige Gulden – mitgegeben; mit im Gepäck aber waren auch die traumatischen Erfahrungen der Trennung von den Eltern, ständigem Heimweh und Gewalt.
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Mit über zwanzig Spielern und Spielerinnen – darunter viele junge Schauspieler und auch Kinder, die zum allerersten Mal auf der Bühne stehen – lässt Helene Stocker ein buntes, herausforderndes Ensemble auftreten, auf das man ebenso gespannt sein darf, wie auf ihre nachdenklich-schlichte, moderne Inszenierung. Die Musik von Christian Unterhofer, dargeboten vom Brixner 4-Gesang, und die Naturkulisse in waldiger Gegend, diesmal oberhalb von St. Andrä an der Talstation der Ploseseilbahn, malen dabei eine düster-ergreifende Stimmung, die den Theaterabend zu einem unvergesslichen Erlebnis werden lässt.